HOHENZOLLERN-WELTHERRSCHAFT DIE OSTERWOCHE DES JAHRES 1904 BRACHTE eine Überraschung. Am achten Apriltag wurde von der bri tischen und französischen Regierung ein Vertrag unterzeich net, der den zwischen den beiden Großmächten schwebenden Kolonialfragen bündige Antwort gab. England erhielt in Ägypten volle Sicherheit gegen französischen Einspruch, in Siam die Westküste des Menam, die Anerkennung seiner Herrschaft über den Westen Neuseelands und übernahm da für die Verpflichtung, die Neutralität des Suezkanals zu wahren. Frankreich erhielt einen Hafen am Gambia, die Los-Inseln bei Guinea, in Siam den Osten des Menam, zwi schen dem Niger und dem Sudan einen nicht sehr breiten, doch fruchtbaren Landstreifen, der die Verbindung mit dem Tschadsee erleichtert; ferner wurde es als Vormacht in Ma rokko feierlich anerkannt und mit dem Privilegium beklei det, mit Rat und Tat einzugreifen, wenn in dem seiner alge rischen Provinz benachbarten Sultanat Unruhen entstünden. Die französische Regierung erklärte, dem Anspruch auf Vorrechte in der NeufundländerFischerei zu entsagen; dafür durfte sie auf Madagaskar ungefährdet schalten und Ma rokko war fortan der Einflußsphäre Frankreichs zugewiesen. Trotzdem dieser Vertrag eine auf dreißig Jahre hinaus unbe schränkbare Handelsfreiheit in Marokko verbürgte, ärgerte er die Spanier, die auf das Sultanat ältere Rechte zu haben glaubten, und wurde am 6. Oktober 1904 deshalb durch den franko-spanischen Geheimvertrag ergänzt, dessen Bestim mungen erst nach drei Lustren in Kraft treten und, wie ge flüstert wurde, Tanger und Tetuan als zur spanischen Inter essensphäre gehörig anerkennen sollen. Herr Theophile Del- casse, einst Redakteur der Republique Fran$aise, seit 1898 Leiter der internationalen Politik Frankreichs, sah sein Werk an und fand, daß es gut sei. Er hatte wenig gewährt und viel eingeheimst. Mit Italien, der vierten Mittelmeermacht, war er seit der Verständigung über Tripolis sehr intim, hatte also auch aus Rom keinen Widerspruch zu fürchten. Und das