bünen sind alle Plätze besetzt und alle Häupter des Diplo matenkorps blicken auf das Gewimmel herab. Tiefe Stille; als müsse über das Schicksal einer Nation nun die Entschei dung fallen. Der Präsident steht auf, hält das Heft mit dem Wortlaut der Vorlage in leise bebender Hand, verliest, mit dunkel umschleierter Stimme, den ersten Absatz und fragt dann: „Wird das Wort verlangt?“ Schweigen ringsum. „Ich bitte die Herren Abgeordneten, die für die Annahme des ersten Absatzes sind, die Hand zu heben.“ Fünfhundert Hände recken sich in die Luft. (Bischof Freppel, der später Leo den Dreizehnten angefleht hat, von Wilhelm dem Zweiten die Rückgabe der Reichslande gegen zulängliche Entschädigung zu erwirken, reckt den Arm, wie eine Waffe, himmelan; er hat gestern mit frommer Wut wider die Laien schule der Goblet und Genossen gefochten, hat jetzt aber den seinem Nachbar De Mun sichtbaren Widerschein des feu sacre de la revanche im feuchten Gewölb des Auges.) Nicht eine Meldung zum Wort; nicht eine Stimme gegen die Vorlage. Stumm wird, mit einem Gestus, der zur Weihe handlung geworden scheint, ein Kapitel nach dem anderen erledigt. Nach der Gesamtabstimmung nicht das schüch ternste Beifallszeichen. Den Zuschauern stockt der Atem; und staunend schweift der Blick des Fremdlings über diesen Saal hin, durch den eines Landes, eines Volkes Seele zu schreiten scheint. Die Spannung löst sich erst, als der Präsi dent den sakramentalen Satz ausgesprochen hat: „Der Ge setzentwurf ist angenommen.“ Fünfhundert sind aufrecht; wie ein Mann, ein Heer. Die Tage deutscher Wahl und Stichwahl sichern dem Sep- tennat eine stattliche Mehrheit. Die Thronrede, die des neuen Reichstages zweite Session eröffnet, fordert abermals „eine wesentliche Erhöhung der Wehrkraft“ (durch die Stärkung der Landwehr und des Landsturmes) und spricht den Entschluß aus, „in der Abwehr willkürlicher Angriffe und in der Verteidigung unserer Unabhängigkeit so stark zu werden, daß wir jeder Gefahr ruhig entgegensehen kön nen.“ Am 6. Februar 1888 sagt Bismarck im Reichstag: