mütig überhören. Sie berufen sich auf das Volk. Haben sie es belauscht, auf dem Feld, in der Werkstatt, in Studierstuben und Schänken? „Wir brauchen“, sagt Goethe, „in unserer Sprache ein Wort, das, wie Kindheit sich zu Kind verhält, so das Verhältnis Volkheit zum Volk ausdrückt. Der Er zieher muß die Kindheit hören, nicht das Kind; der Gesetz geber und Regent die Volkheit, nicht das Volk. Jene spricht immer dasselbe aus, ist vernünftig, beständig, rein und wahr. Dieses weiß niemals für lauter Wollen, was es will. Und in diesem Sinn soll und kann das Gesetz der allgemein aus gesprochene Wille der Volkheit sein, ein Wille, den die Menge niemals ausspricht, den aber der Verständige ver nimmt, den der Vernünftige zu befriedigen weiß und der Gute gern befriedigt.“ Will einer leugnen, daß die deutsche Volkheit, so verschieden ihre Bestandteile sein mögen, längst in einer Besorgnis zusammenstimmt? Löst ihr für einen Tag nur die Zunge, gebt ihr das Recht, geheimes Trachten ans Licht zu bringen: eines Wunsches Angstschrei wird euch ins Ohr dröhnen. Und auch ohne solche Eintagsfreiheit muß, wer nicht taub ist oder sich taub stellt, vernommen haben, was in Hofsälen und Hütten, in Ministerien und Fabriken, auf der Tenne und am Strande seit Jahren geflüstert wird. Die Verfassung des Deutschen Reiches weiß nichts von einem Kaiser, der sein eigner Kanzler ist; die gibt Kaiser und Kanzler verschiedene Rechte, verschiedene Pflichten. Genügt sie dem Bedürfnis nicht mehr, dann soll man sie morgen ändern, mit Stimmenmehrheit oder dem Gewalt recht des Stärksten, und versuchen, ob ein reifes, differen ziertes Europäervolk von dem Willen eines jeder Kritik und Kontrolle entrückten sterblichen Menschen zu leiten, ohne Schaden für Hirt und Herde vorwärts zu führen ist. Solange die Verfassung aber noch besteht, haben wir in dem Kanzler ihren höchsten Hüter zu sehen. Und an den Kanzler haben wir eine Forderung, die zu gleich unzweideutige Antwort auf die Frage gibt, „was wir eigentlich wollen“. Er soll aufhören, sich den leitenden Staatsmann zu nennen und zu sagen, so lange er auf seinem